Digital Natives im Enterprise 2.0 – Avantgarde oder Oberflächenkosmetik?

Von 13. bis 14. Mai waren Willms und ich zu Gast bei dem 33. Netzwerktreffen der Initiative zur Selbst GmbH e.V. Die 1999 gegründete Initiative die als gemeinnütziger Verein operiert,  hat sich u.a. zum Ziel gesetzt das Gedankengut des „Unternehmers im Unternehmen“ die Förderung einer nachhaltigen Arbeitsmarktfähigkeit und die Bewusstseinsbildung für die berufliche Bildung als Impulsgeber zu fördern und vorranzutreiben. So wird auch der Name der Initiative klar, GmbH soll hier verstanden werden als „Gemeinschaft mit beispielhafter Haltung“.

Dementsprechend sind auch die meisten der 500 Mitglieder des Vereins Personalmanager und in den entstehenden Arbeitsgruppen befasst man sich mit Themen wie Unternehmenskultur, Führung, Personalentwicklung, Karrieremodelle und Arbeitsorganisation. Außerdem werden Veranstaltungen, Vortragsreihen und auch Forschungsaufträge organisiert, wie eben das aktuelle Netzwerktreffen.

Das Leitthema dieses Treffens lautete Digital Natives – Avantgarde einer Enterprise 2.0 Kultur oder digitale Oberflächenkosmetik? So gingen auch die meisten Referenten recht kritisch mit dem Begriffspaar Digital Native und Digital Immigrants um. In seinem Vortrag am Donnerstag abend stellte Jonathan Imme, Mitgründer der Initiative Palomar5, das Projekt „Haus der Zukunft“ vor und resümierte dabei:

„Das Menschliche läßt sich nicht durch das Netz ersetzen“

Die Vorträge griffen auch einige Gedanken aus der re:publica 2010 Präsentation von Prof. Dr. Peter Kruse auf. Es gebe eher eine Aufteilung in digitale Besucher und Einwohner und weniger in digitale Eingeborene und Einwanderer. So warnte auch Thomas Sattelberger, Vorstandsmitglied der Selbst Gmbh und Personalvorstand der Telekom vor der Elitenbildung einer digitalen Avantgarde. Es ginge darum die Möglichkeiten für einen Wandel aus der digitalen Welt auch zu denen zu tragen, die sich nicht täglich damit auseinander setzen.

Dies beschreibt sehr schön einen der Kernpunkte aus der Keynote die Willms am nächsten Tag hielt, denn im Grunde geht es nicht um eine Begriffsdiskussion die hinterfragt ob es Digital Natives wirklich gibt. Vielmehr geht es um gravierende kulturelle Unterschiede im Wertesystem zwischen denen die sich wie selbstverständlich regelmäßig im Mitmachweb bewegen und denen die das nicht tun. Die Werte Transparenz, Offenheit und Vernetzung stehen nach wie vor den klassischen Werten alteingesessener Unternehmer gegenüber. Die Möglichkeiten zu positiven Veränderungen bei einer schrittweisen Öffnung für diese Werte 2.0 sind jedoch deutlich sichtbar. Im weiteren Verlauf des Tages ging es dann auch noch einmal um Basics wie Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten von Enterprise 2.0 im Personalerleben.

Zu Gast waren wir an diesem Freitag bei der defacto GmbH und auf dem Programm stand auch ein von Willms moderierter OpenSpace mit allen Teilnehmern. Den Einstieg fanden wir mit den immer sehr hilfreichen Zweierinterviews mit der Einstiegsfrage: „Was kann HR aus den Thesen von Enterprise 2.0 lernen?“.

Die Themensammlung für den OpenSpace waren vielfältig. Von der Frage nach den Werten in einem modernen Enterprise 2.0, der Frage danach wie HR 2.0 denn konkret aussehen könnte oder wie man Veränderungen denn erreicht, war vieles dabei. Erstaunlich das in dieser verhältnismäßig großen Gruppe, es waren um die 150 Teilnehmer, derart klare Fragestellungen zu den aktuellen Entwicklungen in der Enterprise 2.0 Einführung gefunden wurden. Dies bestärkt die Annahme, dass die größte Kraft zu Veränderung in Organisationen selbst schlummern.

Ich schloß mich der Gruppe HR 2.0 an und erlebte eine höchst spannende Diskussion. Unter den Teilnehmern (Personalmanager von Unternehmen wie Telekom, Freudenberg, British Telecom und RWE) wurde zuerst viel über den grundsätzlichen Zweck von Enterprise 2.0 Technologie diskutiert. Man wurde sich jedoch schnell einig, dass die Möglichkeiten zu kollaborativer und vernetzter Zusammenarbeit ein entscheidener Faktor in der Personalentwicklung sein können und somit die Personalabteilung auch eine Vorreiterrolle einnehmen sollte. Es fiel auch das Schlagwort „HR als Facilitator“  – also die Personalabteilung als die Schnittstelle im Unternehmen die den Veränderungsprozeß unternehmensweit ermöglichen und vermitteln kann. Dem kann ich nur zustimmen, die idealen Vorraussetzungen für einen gesunden Change Prozeß werden aus der Personalentwicklung getrieben. Es geht ja auch darum dem Mitarbeiter die Zeit zu geben die er oder sie braucht um sich den technologischen Veränderungen und viel wichtiger noch den kulturellen Veränderungen anzupassen und zu akzeptieren. Geschieht dies nicht, so bleiben die Teamräume im Sharepoint ungenutzt und leer – die Technologie wird nicht genutzt und die Unternehmenskultur bleibt wie sie ist.

Alles in allem waren es also intensive einandhalb Tage mit vielen Impulsen und guten Gesprächen in Sachen HR 2.0. Klar wurde die Arbeit der Personalmanager ist entscheidener Treiber für die Enterprise 2.0 Einführung bei Unternehmen. Das Interesse ist groß und der Wissensdurst nach guten Use Cases zur Nutzung von Enterprise 2.0 Technologie ist ein idealer Bodensatz für den größeren Schritt des Kulturwandels in den jeweiligen Unternehmen.

Es ist ein steiniger aber lohnenswerter Weg des Wandels auf dem Weg zum Unternehmen der Zukunft und im Rückblick wird man sicherlich fragen warum der Weg so steinig war. Vielleicht gelingt uns ja manche Veränderung ein Stück schneller. Dies führt mich zu einem letzten Gedanken, inspiriert von dem Vortrag des Abschlußsprechers des 33. Netzwerktreffens der Initiative zur selbst GmbH e.V.  Ulrich Klotz:

Noch 50 Jahre nach Einführung des Buchdrucks wurde jede Bibel von den Mönchen weiterhin Korrektur gelesen. Zu einschneidend war die Veränderung dieser Technik, dass sie nicht richtig verstanden wurde.

Auf das es uns schneller gelingt Veränderungen zu akzeptieren!

2 Comments

  1. Cornelia Agel 04/06/2010 at 15:19 - Antworten

    Hallo Herr Ast,

    Ihre Zusammenfassung des Treffens gefällt mir sehr gut. Besonders gut
    finde ich, dass Sie den Ansatz aufgreifen: HR ist der Facilitator.
    Natürlich haben wir nicht zum ersten Mal in der Geschichte damit zu
    tun, dass verschiedene Denkansätze, Sozialisationen, Kulturen und
    Einstellungen zum Leben, zu Werten, zu Hierarchien und vielem mehr in
    einem Unternehmen aufeinander treffen. HR tut gut daran, zu erkennen,
    dass alle Mitarbeiter im Unternehmen letztlich nicht nur aus einer
    Ansammlung von mehr oder weniger kreativen Menschen besteht, die hier
    ihr Geld verdienen wollen. Nein: sie bilden das Team, dass gerade in
    der Zusammenarbeit den besten Erfolg für das Unternehmen erreicht und
    letztlich auch den meisten Spaß hat. Ich denke, dass HR an dem Punkt
    ansetzen kann, an dem das, was alle verbindet, zur Klammer werden
    kann: gemeinsame Werte wie Respekt, Neugier, Wertschätzung.

    Viele Grüße,
    Cornelia Agel

    03.06.2010

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      Jörn Hendrik Ast 07/06/2010 at 11:49 - Antworten

      Sehr gern Frau Agel und lieben Dank für den ausführlichen Kommentar!
      Das mit der Klammer ist sehr gut beschrieben wie ich finde! Ich glaube sogar das die HR- Abteilung der Zukunft durch Social Media Komponenten einen großen Beitrag zu dem Verbinden z.B. der Experten in Unternehmen leisten kann. Die Vorteile der Vernetzung könnte HR versuchen ähnlich dem Mentoring Prinzip von W. L. Gore (Hersteller von Gore Text und Innovator im Bereich Führung: http://de.wikipedia.org/wiki/W._L._Gore_&_Associates ) umzusetzen. Es gibt viele Beispiele und Möglichkeiten und zum Glück verliert der Mensch auch nicht die Neugier nach Neuem! ;)

Über den Autor: Willms Buhse

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Dr. Willms Buhse, CEO und Gründer von doubleYUU, bringt mit Digital Leadership die Innovationen des Silicon Valley in die Büros der deutschen Führungsetagen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele Top-Manager zählen zu seinen Kunden. Er hält Vorträge in Harvard, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an deutschen Elite-Universitäten in Berlin, München oder Hamburg. Dr. Willms Buhse gilt über deutsche Grenzen hinaus als Vordenker der digitalen Elite. Wie kein Zweiter versteht er es, Ideen und Impulse aus der digitalen Welt auf die Realität deutscher Unternehmen zu übertragen.